Wir leben in einer wahnsinnig aufregenden Zeit.
Die heutige Kamera- und Computertechnik erlaubt ganz normalen Menschen, wirklich atemberaubende Video Projekte auf Kinofilm-Niveau zu erstellen.
Solche „Cinematic Videos“ hätten noch vor wenigen Jahren Millionen von Euro Produktionskosten verschlungen. Und noch ein paar Jahre früher wären sie in dieser Weise noch nicht einmal denkbar gewesen.
In diesem Artikel erfährst du, was „Cinematic“ bedeutet und worauf du achten musst, um auch deinen Videos den beliebten „Cinematic Look“ zu verleihen.
Was bedeutet „Cinematic“?
„Cinematic“ bedeutet wörtlich übersetzt einfach so viel wie „filmisch“. Daran lässt sich schon erahnen, dass der Begriff nicht allzu streng definiert und abgegrenzt ist.
In der Videografie nutzt man den Begriff heute meist, um Videos zu beschreiben, die an das Erscheinungsbild alter (Kino-)Filme aus analogen Zeiten erinnern.
Es ist etwas schwierig zu erklären, aber wenn du das eine oder andere Cinematic Video gesehen hast, wirst du den Look automatisch erkennen und verstehen.
Es gibt eine Handvoll charakteristischen Merkmale, die dir helfen auch diesen Cinematic Look bei deinen eigenen Videos zu erzeugen.
Lass uns dazu am besten erstmal ein Beispielvideo anschauen.
Beispiel-Video: Cinematic Travel Video
Dieses kurze Video ist ein Urlaubsvideo von dem Filmemacher Benn TK über Kambodscha. Es ist ein Paradebeispiel für ein Video im Cinematic Look. (Hier kannst du Benn TK folgen.)
Wir werden uns nacheinander anschauen, welche besonderen Merkmale diesen speziellen Look ausmachen und dazu jeweils eine passende Stelle aus dem Video heraussuchen.
So kannst du genau nachvollziehen, wie diese unterschiedlichen Eigenschaften umgesetzt werden können und bekommst sofort einige Anregungen für dein nächstes Video.
Falls du es noch nicht gemacht hast, schau dir am besten zuerst das Video einmal komplett an. Das wird dir direkt ein besseres Gefühl für den Cinematic Look geben.
Wenn du soweit bist, legen wir los…
12 Merkmale, die zum „Cinematic Look“ führen
Wie kannst du selbst „Cinematic Videos“ erstellen?
Du kannst es dir im Prinzip so vorstellen, dass es verschiedene Bausteine gibt, die ein Video „cinematic“ machen. Du musst nicht zwangsläufig alle davon verwenden, aber je mehr dieser Kriterien du abhakst, desto filmischer oder cinematischer wird dein Video.
Lass uns mit dem vielleicht auffälligsten Merkmal starten:
Letterbox: Video Seitenverhältnis / Aspect Ratio
Cinematic Videos haben meist ein besonders breites Bildformat, wie das anamorphotische 2,35:1 Format. Auf den meisten Bildschirmen wird die Breite dadurch komplett ausgefüllt, und oben und unten entstehen die typischen schwarzen Balken. Das nennt sich dann auch „Letterbox“, was sich auf die schmale Öffnung eines Briefkastens bezieht.
Da die meisten Kameras heutzutage Videos im 16:9 Format aufnehmen, musst du die Balken in der Regel in der Nachbearbeitung hinzufügen, bzw. das Video Seitenverhältnis ändern.
Referenz im Beispielvideo: Hier brauchen wir keine genaue Zeitangabe raussuchen, weil das gesamte Video dieses Format hat. Du siehst also immer die schwarzen Balken.
Bildrate/Framerate
Ein Punkt, den man einem Video nicht unbedingt ansieht, der aber sehr charakteristisch für den Cinematic Look ist, ist die Bildrate. Kinofilme wurden und werden standardmäßig mit einer Framerate von 24fps abgespielt.
Um möglichst nah an diesen Look heranzukommen nutzt du deshalb am besten auch 24fps. Alternativ sind natürlich auch 25fps noch in Ordnung, allerdings solltest du davon absehen 48, 50, oder 60fps zu verwenden. Dieser Unterschied ist doch schon merkbar.
Referenz im Beispielvideo: Das Video hat 25fps.
Titel & Schriftart: Cinematic Fonts
Irgendwo während den Anfangsszenen deines Videos solltest du einen Filmtitel einblenden. Typischerweise ist er sehr kurz – häufig nur ein einziges Wort.
Wichtig ist hier aber vor allem die Schriftart des Titels. Für cinematic Videos haben sich mittlerweile vor allem künstlerisch, malerische Schriftarten etabliert, wie man sie aus Sam Kolders Videos kennt.
Am besten googelst du einfach mal nach „Cinematic Fonts“. So findest du Unmengen an Schriftarten, und kannst dir etwas raussuchen, was dir gefällt. Vielleicht bietet dein Videobearbeitungsprogramm aber auch schon eine gute Auswahl an Schriftarten an, sodass du dort fündig werden kannst.
Wichtig ist aber in erster Linie, dass du keine Standard Schrift wie Arial oder Times New Roman wählst.
Referenz im Beispielvideo: Bei 00:13 wird der Titel „Cambodia“ eingeblendet. Hier kannst du sehen, dass er sogar in das Bild integriert wird und der leichten Bewegung des Fächers folgt.
Intro: Das kurze „Vorspiel“ bevor das Hauptvideo losgeht
Du kannst in deinem Video ein Intro verwenden. Das stellt sozusagen den Auftakt des kurzen Films dar.
Hier passiert in der Regel noch relativ wenig und meist hat auch die Musik noch nicht gestartet. Du kannst es aber zum Beispiel nutzen, um die Kulisse oder Umgebung deines Videos schon mal grob zu zeigen oder auch den Filmtitel einzublenden.
Idealerweise erzeugst du hier bereits Spannung und weckst die Neugier auf das, was im Hauptfilm folgen wird.
Referenz im Beispielvideo: Im Beispielvideo kann man etwa die ersten 36 Sekunden als Intro bezeichnen. Es spielt an einem Strand und nutzt das für Südostasien typische Motiv des Fächers, der an Land gespült wird und von einem Jungen gefunden wird.
Cinematic Music
Charakteristisch für cinematic Videos ist auch die Hintergrundmusik. Ähnlich wie der Begriff „cinematic“ selbst, ist auch die Musik nicht allzu genau festgelegt.
Am besten schaust du dir auch hier verschiedene cinematic Videos an, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was gut passt.
Meist beginnen die Lieder ruhig und bauen sich dann immer mehr auf und wechseln dann zwischen ruhigeren und etwas spannenderen, schnelleren Passagen hin und her. Sie können sowohl eine eher traurigere, gefühlvolle Atmosphäre, aber auch eine glückliche Atmosphäre vermitteln. Fast immer erzeugen sie gewisse Emotionen und haben oft auch etwas „episches“.
Wichtig ist, dass die Musik nicht von den Bildern ablenkt, sondern diese nochmal unterstützt und ihre Aussage sozusagen noch zusätzlich verstärkt.
Referenz im Beispielvideo: Nach dem Intro etwa ab 00:40 setzt langsam die Musik ein.
Color Grading & LUTS
Du solltest deine Aufnahmen in der Nachbearbeitung auf jeden Fall einem Color Grading unterziehen. Das kann mitunter ganz schön aufwendig werden, weil du darauf achten solltest, dass die Aufnahmen möglichst alle einen ähnlichen Look haben.
Wir haben in diesem Artikel nicht genügend Platz, um hier tiefer ins Detail zu gehen. Was die aber sehr viel Arbeit abnehmen kann, sind sogenannte LUTs. Das sind kleine Dateien („Lookup Tables“) die feste Color Grading Einstellungen beinhalten und mit denen du den Look deines Videos sehr schön anpassen kannst.
Referenz im Beispielvideo: Wenn du dir das Beispielvideo anschaust, fällt zum Beispiel auf, dass es keine knalligen Farben gibt. Die Sättigung ist also vermutlich etwas rausgenommen. Die meisten Aufnahmen haben einen leicht bläulich/grünlichen Touch und eine leichte „Körnigkeit“ (Grain), wie sie für alte Filmkameras typisch war.
Sounds & Geräusche
Als ungeübter Zuschauer fallen einem Sounds und Geräusche – wenn sie gut eingesetzt wurden – meist gar nicht bewusst auf. Sie machen tatsächlich aber einen enormen Unterschied und verleihen dem Video erst die richtige Würze.
Denn so wird man als Zuschauer nicht nur auf den Sehsinn beschränkt, sondern auch das Gehör wird involviert. Das führt dazu, dass man noch tiefer in das Geschehen eintaucht. Die Atmosphäre des Videos kommt so insgesamt noch viel besser rüber.
Meist ist die Tonaufnahme der Kamera nicht ideal und es wird mit extra Sounds gearbeitet. Im Internet findest du massenweise verschiedene Geräusche und Sounds zum Download. So kannst du auch deinem Video das gewisse etwas verleihen.
Referenz im Beispielvideo: Hier ein paar Beispiele aus dem Video, an denen die Geräusche eine besondere Rolle spielen:
- Bei 00:19 die Wassergeräusche am Strand
- Bei 00:36 die Wind oder „Swoosh“ Geräusche bei den Bewegungen des Fächers
- Bei 00:52 die Wassergeräusche beim Paddeln
- Bei 01:12 das Knattern – vermutlich des Bootsmotors
- Bei 02:46 das Vogelgezwitscher im Wald
- …
Hintergrundunschärfe (Bokeh)
Typisch für Videos im Cinematic Look ist auch die Hintergrundunschärfe wenn ein Motiv näher vor der Linse im Fokus ist.
Um diesen sogenannten Bokeh-Effekt zu erreichen, brauchst du das richtige Kamera-Equipment. Vor allem das Objektiv und die Sensorgröße der Kamera spielen hier eine Rolle.
Die fehlende Hintergrundunschärfe aufgrund des Fixfokus ist übrigens ein Nachteil von Action Cams wie der GoPro, die sich ansonsten hervorragend als Reisekameras eignen. Das fehlende Bokeh ist kein absolutes KO-Kriterium, aber wenn du eine solche Kamera verwendest, solltest darauf achten die anderen Merkmale des Cinematic Looks umso besser umzusetzen.
Referenz im Beispielvideo: Bei 00:49 siehst du den Bokeh Effekt sehr schön. Hier ist das Gesicht eines Mannes groß und scharf im Bild zu sehen. Der Hintergrund ist dabei stark verschwommen, was das Motiv zusätzlich abhebt und betont.
Zeitlupen
Zeitlupen spielen in den meisten cinematic Videos eine große Rolle. Dabei geht es gar nicht um Superzeitlupen, sondern meist nur um eine ganz leichte Verlangsamung der Abspielgeschwindigkeit.
Gerade in Verbindung mit eher langsamer Musik vermittelt das beinahe das Gefühl, als würde die Zeit langsamer vergehen.
Dieser Slow Motion Effekt ist eine weitere Zutat, die den Cinematic Look noch ein Stückchen besonderer macht.
Referenz im Beispielvideo: Eine Stelle, an der die Abspielgeschwindigkeit leicht verlangsamt wurde ist beispielsweise bei 00:52 die kurze Szene mit den zwei rudernden Jungs.
Kamerafahrten oder „Cinematic Movements“
Kamerafahrten können selbst unspektakuläre Motive richtig schön in Szenen setzen. Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Kamerafahrten, die du nutzen kannst.
Sie können gewisse Bildelemente betonen, für Abwechslung sorgen oder auch eine gewisse Atmosphäre noch stärker unterstützen.
Die Umsetzung ist allerdings nicht immer ganz einfach, zumindest, wenn es professionell wirken soll. Häufig werden hierzu Slider, Dollys oder Glidecams genutzt. Für die meisten Zwecke ist aber in der Regel auch ein Gimbal ausreichend. Ganz ohne Stabilisierung wird es sehr schwierig, aber nicht unmöglich.
Referenz im Beispielvideo: Ein Beispiel für eine Kamerafahrt gibt es bei 00:54. Hier wird die Kamera relativ schnell seitlich bewegt, behält das Motiv dabei aber praktisch unverändert im Bild. Auch ab 01:00 folgen Kamera Movements, die die Tempelanlagen zeigen. Da Kamerafahrten ein beliebter Baustein für den Cinematic Look sind, finden sich in dem Video noch zahlreiche weitere Beispiele.
Stabilisierung
Du solltest auf jeden Fall darauf achten, dass deine Aufnahmen möglichst ruhig sind. Wenn du aus der Hand filmst, nutzt du deshalb am besten ein Gimbal oder zumindest eine Kamera mit integrierter Bildstabilisierung.
Verwackelte Aufnahmen können den Cinematic Look und dieses Kinofeeling schnell zu Nichte machen. Natürlich muss nicht jede Aufnahme perfekt statisch wie von einem Stativ aussehen – das wäre viel zu langweilig.
Insgesamt sollten die Bewegungen aber weich und „smooth“ sein und nicht ruckelig und abgehakt.
Referenz im Beispielvideo: Obwohl es viele Kamerafahrten und viel Bewegung gibt, macht das gesamte Video einen sehr weichen Eindruck, der teilweise durch leichte Zeitlupen nochmal unterstrichen wird.
Vorspann/Abspann
Wie bei einem richtigen Film, kannst du in einem Cinematic Video auch einen Vorspann oder Abspann nutzen, wobei letzterer häufiger verwendet wird.
Hier kannst du einfach nochmal ein paar Informationen reinpacken, wie zum Beispiel die Locations, die verwendete Musik und gegebenenfalls Personen, die mit beteiligt waren.
Referenz im Beispielvideo: In unserem Beispielvideo gibt es zu Beginn einen ganz kurzen Vorspann und ab 04:44 einen kurzen Abspann. Beides ist nochmal leicht aufgepeppt mit einem Schrift-Effekt und Sound.
Zusammenfassung
Videos im Cinematic Look machen richtig was her und sind ein wahrer Augenschmaus. Mit den besprochenen Punkten kannst auch die dein nächstes Video aussehen lassen wie einen Kinofilm – oder zumindest so ähnlich. 😉
Natürlich ist die Erstellung etwas aufwändiger als bei herkömmlichen Videos, aber wenn du Spaß an der Videoerstellung gefunden hast, dann wird es sich definitiv lohnen.
Und das schöne ist: Du brauchst nicht jedes Merkmal perfekt umsetzen.
Alleine das richtige Breitbildformat, ein bisschen Colorgrading und hier und da eine gezielte Zeitlupe oder Kamerafahrt können schon einen riesigen Unterschied machen.
Viel Spaß dabei!
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